Waren Katzen früher wirklich gesünder? – Ein Blick zurück

In Zeiten steigender Kosten für tierärztliche Leistungen steigt auch oft der Unmut der Menschen: Früher war schließlich alles nicht so teuer, früher waren die Katzen angeblich viel weniger krank. Aber stimmt das überhaupt und welche möglichen Erklärungen gibt es für steigende Diagnosezahlen zu – zum Beispiel – Tumor- und Nierenerkrankungen bei Katzen? Ich habe mich auf die Reise durch die Zeit gemacht und mir “Früher” einmal genau angeschaut. Gerne nehme ich euch mit und fasse zusammen, was ich gefunden habe.

Vom Nutztier “Mäusejäger” zum Familienmitglied

Die Mensch-Katze Beziehung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Zunächst galt die Katze vor allem als Mäusejäger. Sie streifte eigenständig umher und hatte kaum Zugang zum Haus – geschweige denn viel Kontakt zum Menschen. Auch die tiermedizinische Versorgung stand nicht so sehr im Mittelpunkt. Heutzutage muss sie diesen Job nur noch seltener ausüben – und wenn, dann eher in ländlichen Gebieten[1]. Hier ist dann oft auch die Bindung zur Katze weniger ausgeprägt[1].

Stattdessen leben Katzen heute vermehrt in Städten, in engem Kontakt zum Menschen. Häufig auch in reiner Wohnungshaltung. Von vielen wird sie als Familienmitglied und Freund wahrgenommen: Die Bindung ist dementsprechend stark. Auch die Bereitschaft, sich eingehender mit der Katze zu beschäftigen und sie tiermedizinisch versorgen zu lassen ist in solchen Fällen höher[1].

Noch eine weitere Beobachtung zeigt den Wandel der Zeit: in den letzten zwanzig Jahren hat sich der Umsatz mit fertiger Katzennahrung mehr als verdoppelt[1]. Insgesamt sind die Ausgaben für Futter und Zubehör seit 1994 in Deutschland um knapp 80 % gestiegen[1].

Früher gab es kaum Informationen über Katzenkrankheiten

Dies alles hat sicher auch seinen Teil dazu beigetragen, dass sich die Möglichkeiten in der Katzenmedizin ebenfalls stark verbessert haben[4,5]. So soll es vor 1940 kaum Informationen zu Katzenkrankheiten gegeben haben[1,5]. Forschungen dazu beschränkten sich in der Vielzahl auf Fälle, in denen auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigt sein könnte[5].

Bis vor wenigen Jahrzehnten lag der Fokus der Veterinärmedizin vor allem auf der Behandlung von Nutztieren[4]. Mittlerweile weiten sich die Fachbereiche jedoch aus und auch Spezialisierungen im Haustierbereich (z.B. Kardiologie) sind nicht mehr selten[4]. Dennoch scheint das Hauptaugenmerk weiterhin im Hundebereich zu liegen – der Katzenbereich in der Veterinärmedizin zieht nur langsam nach.

Erst 1996 wurde die european society of feline medicine (ESFM) gegründet (heute: International Society of Feline Medicine (ISFM) ). Die Gesellschaft gilt als Vorreiter dabei, fundierte Informationen über die Katzenmedizin zu bündeln und zu koordinieren.

Insgesamt scheint Gesundheitsvorsorge heutzutage immer mehr in den Blickpunkt vieler Tierhalter*innen zu rücken[4].

Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten verbessert

Behandlungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen für die Katze waren bis etwa 1950 nicht weit verbreitet – zum Teil wohl auch, weil der Katze weniger Wert zugesprochen wurde[5]. Beispielsweise wurde die Katzenkrankheit FIV 1987 zum ersten Mal beschrieben – bis zu den ersten Totimpfstoffen hat es bis 2002 gedauert[5]. Der Erreger der FelV konnte erst 1967 erstmals isoliert werden, die Diagnostik wurde 1973 verfeinert.

Interessant ist auch zu wissen, dass Deutschland im Bereich Katzenmedizin insgesamt ein wenig hinterherhinkt: während FIP hier erst um 1973 ein Thema wurde, war es das bereits ganze dreißig Jahre zuvor in den USA[5]. Wo zahlreiche andere Länder (z. B. USA, Norwegen, Dänemark) bereits seit Jahrzehnten Datenbanken voller Informationen über Tumorerkrankungen bei der Katze sammeln, sucht man bei uns in Deutschland etwas Vergleichbares vergebens.

Immer mehr Tierarztpraxen legen ihren Fokus speziell auf die Katzenmedizin. Auch wenn es heute nur vereinzelte katzenfreundliche Praxen in Deutschland gibt, werden es stetig mehr.

Katzen leben immer länger – altersbedingte Krankheiten werden häufiger entdeckt

Ein weiterer, unglaublich wichtiger Unterschied zu früher ist die Lebenserwartung der Katze. Denn sie ist in den letzten Jahrzehnten drastisch gestiegen[2,5,6]. So betrug die durchschnittliche Lebenserwartung einer Katze im Jahr 1983 noch 3,3 Jahre[3,5,6]. In den Folgejahren dann stieg sie auf 7,5 Jahre (1995) bis hin zu 14-15 Jahre in 2022[3,5,6].

Zu den Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte gehört, dass seit den 1990er Jahren die Zahl der Diagnosen von Tumoren, Nieren- und Herzerkrankungen bei Katzen gestiegen ist[5,6]. Auch der Anteil an Katzenpatienten in Tierarztpraxen ist in dieser Zeit stetig gewachsen: von 12,4 % in 1967 auf 37,4 % in 1997[5]. Und das auch für ältere Katzen: während 1967 vor allem jüngere Katzenpatienten vorstellig wurden, sind es seit 1997 immer mehr ältere Tiere[5].

Fazit: Viele Faktoren verleiten zu voreiligen Schlüssen

Betrachtet man all diese Informationen, wird klar: Katzenkrankheiten gab es auch “früher” schon. Auch FIP, FORL, FIV, FelV – sogar Tumore, Nierenerkrankungen und Diabetes. Das ist gut belegt. Ob sie früher häufiger oder weniger häufig waren, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Denn die Diagnostik in der Tiermedizin ist teilweise erst seit wenigen Jahren so weit, so manche Katzenkrankheit überhaupt sicher festzustellen und zu behandeln.

Und noch etwas hat sich drastisch gewandelt: heute bemerken wir durch das enge Zusammenleben deutlich besser – oder überhaupt – wenn mit der Katze etwas nicht stimmt. Schließlich bekamen viele Menschen “früher” die Katzen weniger regelmäßig zu Gesicht. Auch die Bereitschaft, die Katze überhaupt in der Tierarztpraxis vorzustellen, hat sich gesteigert.

Letztlich steigt natürlich auch das Risiko auf altersbedingte Krankheiten an, wenn Katzen deutlich älter werden. Denn Tumore und Nierenerkrankungen sind typische “Alterskrankheiten” bei der Katze: ab einem Alter von etwa 10 Jahren treten sie verstärkt auf[5,6,7]. Da Katzen erst seit wenigen Jahrzehnten ein Durchschnittsalter von über 10 Jahren erreichen, wächst damit natürlich auch die Zahl der Diagnosen.

Kurz: Früher konnte Niemand so genau hinschauen. Früher hat sich Keiner die Mühe gemacht, die Katze zu behandeln. Früher starben die Katzen, bevor sie ernsthafte Erkrankungen entwickeln konnten. All das ist heute gänzlich anders. Ob auch schlechtere Futterqualität und verschlechterte Umwelt- und Haltungsbedingungen zu einer gestiegenen Zahl an Krankheitsdiagnosen beitragen, ist reine Spekulation.

Quellen und weitere Infos

Gefällt dir der Blogbeitrag?

4.8 / 5 ( 14 Bewertungen)

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut mir leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lass uns diesen Beitrag verbessern!

Wie kann ich diesen Beitrag verbessern?

4 Kommentare

  1. Bei den beiden Katzen einer Kollegin wurde FORL festgestellt. Ich habe etwas gegoogelt um darüber mehr zu erfahren. Auffällig war, dass die meisten Ergebnisse auf Seiten von denjenigen die daran verdienen wollen zu finden waren. Tierärzte (OP-kosten), Futterhersteller (obwohl noch gar nicht bekannt ist, was die genaue Ursache ist), Versicherungen (Gebisssanierungen sind teuer). Versuchen manche mit einer schlimmen Erkrankung Geld zu machen oder bin ich da viel zu mißtrauisch? Wird die Diagnose zu schnell gestellt?
    Mau! HaJe

    • Hallo HaJe!
      So ähnliche Fragen höre ich öfter. Und ich kann absolut verstehen, dass man bei gewissen Sachen sehr skeptisch ist – ich bin es auch 😉
      Die Sache hierbei ist: es ist tatsächlich bekannt, dass FORL schon immer ein Thema bei Katzen war. Und es tatsächlich auch bei Großkatzen und anderen Kleinkatzen ist. Selbst bei Zootieren kann man das feststellen. Es ist also durchaus so, dass es keine “erfundene Sache” ist. Dass das Ganze heute viel häufiger gefunden wird, kann natürlich tausend kleine Gründe haben. Allerdings können wir alle hier darüber nur spekulieren. Denn wir haben ja nicht aus den letzten Jahrhunderten und nicht alle jetzt noch lebenden Katzen (übrigens betrifft Hunde auch eine ähnliche Krankheit) mit Dentalröntgen genau untersucht. Hätten wir das, könnten wir herausfinden, ob es jetzt wirklich mehr auftritt oder “nur” mehr gefunden wird.

      Ich tendiere eher zum “mehr gefunden werden”, denn tatsächlich ist ein spezielles Dentalröntgen nötig, um FORL wirklich sicher zu finden oder auszuschließen. Und das gibt es für Tiere noch nicht sehr lange, es wird auch noch kürzer überhaupt eingesetzt – und trotzdem immer noch viel zu selten. Weil es leider extrem viele Tierärzt*innen gibt, die sagen, sie könnten das mit ihrem – überspitzt gesagt – “Röntgenblick” oder einem “ins Maul schauen” ausschließen. Was natürlich nicht geht, aber viele Halter*innen glauben das einfach – zumal so manche Fachkraft da sehr nachdrücklich und unleidig werden kann, wenn man genauer nachfragt oder skeptisch ist. Daher glaube ich tatsächlich, dass die Diagnose noch viel, viel, viiiel zu selten gestellt wird. Einerseits, weil vielen Halter*innen die Problematik nicht bewusst ist und viele Fachkräfte da etwas sehr leichtfertig mit umgehen oder eben keine passende Ausrüstung haben – so ein Dental-Röntgengerät ist – platt gesagt – schweineteuer. Das kann sich nicht jede kleine Praxis “um die Ecke” leisten.

      Es ist auch indirekt ganz klar, dass die Infos dort zu finden sind, wo die Leute dran verdienen: diese Menschen haben das Wissen, die Ausrüstung – eben weil ihnen klar ist, wie extrem problematisch die Krankheit ist und wie stiefmütterlich sie behandelt wird. Und sie sind mehrheitlich daran interessiert, dass die Leute mehr darüber erfahren und den Katzen das Leid abgenommen wird. Die, die wenig davon wissen (wollen) oder die Ausrüstung nicht haben, denen die Problematik vielleicht nicht bewusst ist oder die sie nicht ernst nehmen, schreiben natürlich auch nicht darüber. Einfach weil “weiß ich nicht” oder “ist mir auch nicht so wichtig” oder, oder, oder.

      Ich weiß, dass manche Menschen Tierärzt*innen vor allem irgendwie unterschwellig “unterstellen”, dass es vor allem ums Geld verdienen geht. Und sicherlich hast du solche Kandidatinnen auch dabei. Meine Erfahrung ist aber, dass die Fachkräfte (auch TFAs), die ich so in den letzten Jahren kennengelernt habe, mehrheitlich zuerst an das Tierwohl denken. Nicht umsonst haben viele TÄ und TFAs in den letzten Jahrzehnten Überstunden en Mass geschoben für wirklich unverhältnismäßig kleinen Verdienst. Das wandelt sich mittlerweile ein bisschen, aber es gibt unglaublich viele unter ihnen, die das Ganze wirklich bis zur Selbstaufgabe betreiben. Von daher sehe ich persönlich den Gedanken “denen ist vor allem am Geld gelegen und darum dramatisieren die auch mal was” heute etwas differenzierter. Aber ja, so habe ich auch sehr lange gedacht. Bis ich in den Dialog getreten bin und viele von ihnen auch persönlich kennengelernt habe oder durch Krankheiten meiner Tiere mehr als nur die übliche Beziehung zwischen TÄ und Halterin hatte.

      Ist lang geworden, ich weiß 😉 Aber ich kann deine Gedanken und Zweifel gut verstehen, sehe da aber mehrere Aspekte, die man vielleicht aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann.

      Liebe Grüße
      Miriam

Schreibe einen Kommentar

Dein Kommentar erscheint erst nach Freigabe durch Miriam in der Kommentarliste. Die Überprüfung kann bis Ende Januar 2024 aus gesundheitlichen Gründen leider etwas länger dauern. Die erforderlichen Felder sind mit * markiert, deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.