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Fiese Tricks in der US-Futtermittelbranche? – Reingeschaut: Dokumentation „Pet Fooled“
Starke Vorwürfe über Probleme in der US-Futtermittelbranche
In der Dokumentation "Pet Fooled" geht es um Hintergründe und Probleme der Tierfuttermittelbranche in den USA. Es wird gezeigt, welche eklatanten Probleme es in der Regulierung von Kennzeichnungsvorschriften geben soll und wie Verbraucher mit Reizwörtern in die Irre geleitet werden. Auch die Herkunft von Rohstoffen für US-Tierfutter ist Thema in der Dokumentation. Futtermittelskandale der letzten Jahre werden ebenso aufgegriffen, wie der teilweise skandalöse Umgang der Hersteller damit und die fehlende staatliche Kontrollmöglichkeit solcher Vorgänge.
Betroffene Verbraucher, Anwälte und Vorstandsvorstände kommen in "Pet Fooled" zu Wort. Die beiden Hauptakteure jedoch sind die beiden Tierärztinnen Dr. Barbara Royal und Dr. Karen Becker. Beide beschäftigen sich seit Jahren näher mit der Tierernährung und den Problemen, die daraus resultieren. Auch in der Öffentlichkeit sind beide sehr aktiv.
Ekel-Inhaltsstoffe, Ignoranz und Interessenverbände
Die Möglichkeit, für die Tierfutterproduktion so unappetitliche "Rohstoffe" zu nutzen wie Tierkadaver und eingeschläferte Artgenossen, ist wohl einer der härtesten Vorwürfe in der Dokumentation. Ebenso wird kritisiert, dass die US-Futtermittelbranche über Umwege ihre eigenen Regulierungsvorschriften entwerfen und diese nach Belieben einhalten könne – oder nicht. Was nicht passend ist, könne durch Lobbyismus passend gebogen werden. Dass scheinbar keinerlei unabhängige Kontrolle oder Möglichkeiten der Abstrafungen bei auffälligen Verstößen existieren soll, ist ein weiterer heftiger Vorwurf. Da klingen Aussagen über krankmachende Futter-Zusammensetzungen und die damit verbundenen steigenden Krankheitszahlen fast noch harmlos.
Auch zitierte Passagen aus Kennzeichnungs- und Zulassungsvorschriften, die dem Verbraucher vollkommen absurd vorkommen müssen, scheinen beim Zuschauen beinahe zum Nebenpunkt zu schrumpfen. So werden in der Doku beispielsweise jene Kennzeichnungs-vorgaben zitiert, unter denen ein US-Futtermittel mit dem Begriff "natürlich" beworben werden dürfe:
Futter oder Inhaltsstoffe, nur von Pflanzen, Tieren oder Minen stammend, […] entweder in unverarbeiteten Zustand […] oder nach technischer Verarbeitung, Verarbeitung mit Hitze, Wiederverwertung, Reinigung, Extraktion […]Minute 33:01-33:18
Es soll ebenso deutlich gemacht werden, dass nicht erst die Kennzeichnung ein Problempunkt in der US-Futtermittelbranche sein soll, sondern die ganze ungute Maschinerie bereits bei den Nähr- und Rohstoffen und der Zulassung der Futtermittel beginnt. Anwalt Vince Field äußert sich zu diesem Thema in der Doku sehr deutlich:
Erfüllt man die Vorgaben für den Nährstoffgehalt von Eiweiß, macht es keinen Unterschied, ob dieses Eiweiß von einer gesunden Eiweißquelle wie Hühnchen kommt oder von einer schlechten Eiweißquelle wie Weizenmehl oder Weizengluten, Hauptsache es wird mit irgendeiner Art Eiweiß angereichert. Solange man die Vorgaben des Nährstoffgehaltes einhält, wird das Futter als AAFCO-genehmigt zugelassen. Vince Field (Minute 32:06 – 32:25)
Auch Dr. Barbara Royal vertritt in "Pet Fooled" eine starke Meinung zum Thema Rohstoffe. Sie kritisiert, dass Tiernahrung aufgrund von billigen Preisen für Getreide und Subventionierung dazu führten, dass immer billigeres Futter hergestellt würde. Die Tiere könnten nicht "Nein" sagen und sind darauf angewiesen. Ihrer Meinung nach sei eines der größten Probleme der US-Futtermittelbranche, dass bisher
[…] sehr schlechte Forschung betrieben wurde, bezüglich dem, was wirklich geeignet ist und was nicht. Dr. Barbara Royal (Minute 16:54 – 17:00)
Ebenso wird kritisiert, dass Rohfütterung als Alternative oft schlecht geredet und seine Risiken aufgebauscht würden. Dass besonders Hersteller herkömmlicher Tiernahrung und viele Tierärzte eine strikt ablehnende Haltung einnehmen und diese an Vet-Medizin-Studenten und Tierhalter weitergeben – dies alles ohne ausführliche Hintergrundrecherche oder Forschung zum Thema. Im Gegenteil: es gäbe derzeit keine fundierten Langzeituntersuchungen zum Thema "Rohfütterung von Haustieren", deren Vor-, Nachteilen oder Risiken. Aber auch Forschung zu Fertigfutter wäre in diesen grundsätzlichen Punkten nie wirklich durchgeführt worden. Die Futterhersteller hätten im Gegenteil keine Veranlassung zur Durchführung solcher Untersuchungen – sie verdienten ohnehin bereits genug daran.
Dank großflächigem Lobbyismus und Einmischung in grundlegende Regulierungsvorschriften durch die US-Futterhersteller sei dies seit Jahrzehnten möglich.
Kranke Tiere als Folge profitorientierter Geschäftspraktiken
Einen weiteren Aspekt der Futtermittel-Problematik zeigt Dr. Becker auf, indem sie erklärt, dass Hunde und Katzen – im Gegensatz zu beispielsweise Schlangen – nicht einfach ungeeignete Nahrung ablehnen und verhungern. Sie seien
[…] ernährungsmäßig robuster als andere. Das bedeutet, wir können sie, was Ernährung betrifft, missbrauchen, es gibt keinen besseren Ausdruck, und sie sterben nicht sofort. Bei ihnen sinkt einfach die gesamte Vitalität und es kommt zu einer degenerativen Veränderung im ganzen Körper, aufgrund dessen, dass wir sie nicht biologisch artgerecht füttern. Dr. Karen Becker (Minute 13:57 – 14:17)
Die in der Doku angesprochenen Futtermittelskandale bezüglich Futter und Kausnacks sollen eindrücklich zeigen, dass auch eine große Anzahl erkrankter oder verstorbener Haustiere scheinbar kein Umdenken anstößt. Um diesen Umstand deutlich zu machen, werden Aussagen verschiedener Futterhersteller gezeigt, die eindeutige Probleme kleinreden und negieren. Auch Vorstände verschiedener – staatlicher und nicht-staatlicher – Stellen kommen in der Doku zu Wort. Nicht immer drücken die getätigten Aussagen Verständnis aus – der Wille zur Veränderung ist für den geneigten Zuschauer eher gar nicht zu erkennen. Demgegenüber stehen betroffene Halter, deren Tiere aufgrund von "gepanschtem" Futter oder vergifteten Snacks extrem krank geworden und teilweise qualvoll verstorben sind.
Alternativen und zukünftige Entwicklung
Der überwiegende Teil der Dokumentation dreht sich rund um Missstände und den daraus resultierenden Folgen. Über Lösungen oder Auswege aus dieser Problematik wird nur sehr wenig gesprochen. Einige Ausschnitte befassen sich mit der mittlerweile immer größer werdenden Gruppe an US-Futterherstellern, die ganz bewusst andere Wege gehen: gesunde, sinnvolle Rohstoffe, Transparenz in Deklaration und Kommunikation. Leider wird kaum näher darauf eingegangen.
Sehr oft jedoch fallen in "Pet Fooled" Anmerkungen und Empfehlungen zu Rohfutter. Nach Dr. Becker sollte dieses so oft wie möglich gegeben werden. Wer es sich leisten könne, solle sein Tier komplett roh füttern. Sei dies nicht möglich, sei es als Snack oder als Ersatz einzelner Mahlzeiten angeraten. Der Rest solle möglichst als Nassnahrung gegeben werden, Trockenfutter – egal, welcher Qualität – sei nur als Notlösung geeignet, falls man sich kein anderes Futter leisten könne.
Ich glaube, als Tierbetreuer ist es unsere Aufgabe, das bestmögliche Futter zu geben, das man sich leisten kann. […] Es ist Ihre Aufgabe als Tierhalter, genug über Ernährung zu wissen, um kluge, gesunde Entscheidungen für Ihr Tier treffen zu können.Dr. Karen Becker (Minute 64:42, 65:32)
Insgesamt sei nach Aussagen von Dr. Becker und Dr. Royal in den letzten Jahren ein Umdenken bei Verbrauchern zu erkennen, Hersteller würden sich zwangsläufig in Teilen daran anpassen. Als Beispiel werden große Hersteller genannt, die verstärkt kleinere Ladenketten eröffnen, um dort artgerechtere Nahrung zu verkaufen, die nicht mit großen Marken in Verbindung gebracht werden sollen. Oder etwa die Tatsache, dass immer mehr getreidefreie Futter angeboten werden, auch von Herstellern, die vorher als starke Fürsprecher für Getreide auftraten. "Pet Fooled" macht deutlich, dass ein flächendeckendes Umdenken nur dann stattfinden kann, wenn Verbraucher aufgeklärt und bewusst artgerechte Produkte kauften – und sich für solche z. B. auch vor ihrem Tierarzt aussprechen würden.
Meine Gedanken zu "Pet Fooled"
Die angesprochenen Probleme und Skandale wundern mich nicht. Es ist durchaus bekannt, dass Teile der Tierfutterbranche ihren ganz eigenen Umgang mit Forschung, Rohstoffen und Kennzeichnung haben. Nicht nur in den USA, auch hier in Deutschland. Es gibt jedoch entscheidende Unterschiede, die die Situation für Verbraucher aus Deutschland "entschärfen". Es ist glücklicherweise nicht alles eins-zu-eins übertragbar.
Bei uns beispielsweise sind Kadaver, Klärschlamm oder euthanisierte Haustiere als Rohstoffquelle strikt untersagt. Generell hat der Gesetzgeber eine Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien vorgeschaltet, die eine Mindestqualität sicherstellen und Futtermittelskandale im Vorhinein vermeiden sollen. Auch Rückrufaktionen und deren Vorgaben, sowie Strafen für Verstoß gegen Regelungen werden hier anders gehandhabt. Dennoch gibt es viele gemeinsame Probleme: unnötige, billige Inhaltsstoffe, die fehlende Unterscheidung in der Nährstoffqualität bzw. -herkunft (siehe Zitat Vince Field) oder die fehlende Forschung bezüglich Rohfutter vs. Fertigfutter. Auch die Transparenz und Kommunikation der Hersteller ist nicht selten gleich ungenügend.
So unschön der Großteil der Futterhersteller auch mit seiner Verantwortung umgeht, hätte ich mir etwas mehr Beleuchtung von Alternativen gewünscht. Dass es mittlerweile bessere Alternativen im Tierfutterregal – in USA wie in DE – gibt, wird zwar erwähnt, aber nur nebenbei. Es werden keine Unterschiede erklärt, kein Vertreter dieser Hersteller kam zu Wort. Für mich ein Wehrmutstropfen ist auch die nahezu euphorische Empfehlung von Rohfutter – ohne sachliche Infos oder Erwähnung von Nachteilen und eventuellen Risiken. Letztere werden an mehreren Stellen sogar gänzlich negiert.
Ob es mir Sorgen macht, dass sie Rohfutter essen und mich dann ablecken? Nein, macht es nicht. Denn Tatsache ist: in diesem Rohfutter sind keine Krankheitserreger, weil wir sorgsam damit umgehen.Dr. Barbara Royal (Minute 9:45 – 9:57)
.. Als würde sorgsamer Umgang im eigenen Zuhause dafür sorgen, dass irgendetwas keimfrei wäre… Jemand, der dem Großteil der Futterhersteller Panscherei, Profitgier und Verantwortungslosigkeit vorwirft, sollte meiner Meinung nach Produkten anderer profitorientierter Hersteller unter gleichen Regulierungen nicht so unbekümmert eine "Unbedenklichkeits-Medaille" umhängen.
Dass der Verbraucher zweifellos am längeren Hebel sitzt und durch Selektion beim Kauf das Angebot an artgerechteren Produkten fördern kann, ist auch meine Meinung. Ebenso, dass die grundlegende Vorraussetzung dafür Aufklärung und sachliche Information ist.
Verhaltens- & Ernährungsberaterin für Katzen, Bloggerin
Miriam steht für die artgerechte Katzenhaltung. Mit ihrem Herzensprojekt katzen-fieber.de sensibilisiert sie seit über 13 Jahren für kätzische Bedürfnisse. Mit Online-Magazin, Vorträgen, Webinaren und Büchern vermittelt sie einfach verständliches Wissen. Individuelle Beratung rundet das Konzept ab. Für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Katze!
Danke Miriam für dein tolles Artikel! Ich habe mir seit eine Ewigkeit gefragt wieso nicht existiert ein Katzenfutter der von ganze Mäuse oder ganze Küken (Küken werden zu tausende sowieso getötet) gemacht ist. Das wäre das natürlichste und würde man keine zusatzstoffe brauchen!
Nun ja, wenn man in „Katzen würden Mäuse kaufen“ von Hans-Ullrich Grimm liest und davon vielleicht sogar die Hälfte abstreicht, bleibt noch eine Menge Erschreckendes übrig.
Gerade weil auch die großen Lebensmittelhersteller wie z.B. Mars auch in Deutschland ihr Futter vertreiben. Die Einstellung zum Thema „gesundes Futter“ dürfte sich da von den USA zu Deutschland nicht großartig unterscheiden.
Hill‘s musste aufgrund einer Beschwerde in den USA wegen eines zu hohem Vitamin-D-Spiegels auch in Deutschland Futter zurückrufen.
Außerdem gibt es auch hier Futtersorten, in denen z.B. Tiermehl enthalten ist. Und darin kann dann wieder alles enthalten sein. Auch Haustiere und allerlei Müll, mit dem man sein Tier nie füttern würde. Das gilt auch, wenn auf der Deklarationsliste „Öle und Fette“ stehen.
Bedenklich finde ich auch, dass der Futtermittelhersteller Mars die Anicura Tierarztkette übernommen hat und ihr immer mehr Tierarztpraxen einverleibt.
Wird da nicht die Unabhängigkeit des Tierarztes gefährdet? Wie sieht das mit der von Dir angesprochenen Verteufelung von Rohfleisch und dem Vertrieb von Futter aus dem Hause Mars aus?
Der Großteil der Katzen- und Hundebesitzer weiß doch gar nicht, wie gesunde Tiernahrung aussieht und man eben nicht im Supermarkt kaufen sollte und in Heimtierläden auch genau hinsehen muss. Ohne gute Informationen greift man zum falschen Futter.
Himmel, das ist ja mal wieder heftig!
Wenn es um Profit geht, kann der Mensch eine widerliche Kreatur sein.
Danke für den Beitrag, liebe Miriam und viele Grüße nach Gelsenkirchen
Ursel